Frühling auf Schienen
Anfang März war ich zum ersten Mal auf einer mehrtägigen Lesereise. Diese Empfehlungen habe ich mitgebracht
Immer wenn ich den mit starkem Akzent vorgetragenen Satz “sänk you for choosing Deutsche Bahn” höre, denke ich: Was habe ich denn für eine Wahl? Dieses Mal klappte allerdings alles verdächtig gut. In Aschaffenburg kam ich sogar VOR der geplanten Zeit an. Frühlingsgefühle im Bitte-nicht-stören-Abteil.
München
Echt wahr, nach Berlin meine zweitliebste deutsche Stadt, wobei mich mit Ersterem ja eher eine Hassliebe verbindet. Das dolce-vita-Wetter! Die Nähe zu den Bergen! Die dezent ironische mia-san-mia-Spießigkeit! Abgesehen davon geht dort kulinarisch gerade richtig viel. Letzten Sommer haben mich Tantris und Alois restlos begeistert – mit der Köchin des Letzteren, Rosina Ostler, sprach ich für die Welt am Sonntag – dieses Mal stand eigentlich das Komu auf dem Plan, leider dienstags geschlossen.
Stattdessen war ich bei Tohru Nakamuru. Dessen Schreiberei befindet sich im ältesten Bürgerhaus der Stadt, erbaut 1552, stilvoll mit terrakottafarbenen Wänden ins Jetzt befördert, sogar der Teppich geht klar. Zehn Gänge umfasste das Menü, mit einem Arnd-Erbel-Muscheltoast, einer in Butter confierten Rotbarbe in Tomaten-Soja-Sud und auf dem Binchotan gegrillten Unagi als Highlights (Aal ist eines jener Tiere, bei deren Verzehr ich gedanklich immer ausblenden muss, wie sie lebend aussehen, dann leider sehr geil). Bei den drei Dessertgängen haben sie noch mal richtig aufgefahren, in Form eines tischfüllenden Zitrusgartens und, yes, please, einer Mont-Blanc-Version mit Maronen-Macadamia-Creme, weißem Schoko-Haselnuss-Eis, Trauben, Trockenfrüchten und Bratapfel-Beurre-Blanc. Stichwort Bratapfel: Zu trinken gab es unter anderem den guten alten Jörg Geiger Champagner Bratapfelbirne, dessen oxidative Note mir trotz grenzwertiger Süße noch immer gefällt.
Gewohnt habe ich im Münchner Kindl, einem noch nicht offiziell eröffneten Boutiquehotel unweit des Marienplatzes. Man kann gegen Nespresso sagen, was man will, ich freue mich über deren soliden ersten Kaffee im Hotelbett. Später zum Frühstück gab es schön teigige Brezeln von Julius Brantner. Die Rooftop-Sauna konnte ich leider nicht nutzen, weil, Mama wird es nicht gern lesen, ich mich kürzlich am Ohr piercen ließ, und zwar in Berlin bei Maria Black. Danke, Jovana Reisinger, für den Tipp! Mit diesem Münchner It-Girl drehte ich eine Runde durch die Maxvorstadt. Untröstlich bin ich noch immer, dass es die Konditorei Schnelle nicht mehr gibt. Dafür einen richtig guten Hafer-Cappuccino für ZWEI EURO bei Plex Coffee.
Als ausgleichende Gerechtigkeit wurde an die Verschönerung des rechten Ohrs ebenfalls gedacht, in Form eines Earcuffs von Saskia Diez, eine Münchner Schmuckdesignerin, bei der ich immer gerne vorbeischaue. Auf der Wish-List steht diese Kette.
Sehenswert ist die Eccentric-Ausstellung in der Pinakothek der Moderne, wo ich zum dritten Mal (nach der fulminanten Berghain-Ausstellung und dem Museum für zeitgenössische Kunst in Melbourne) Julian Charrières brennenden Brunnen bestaunte.
Endlich habe ich es mal zu Lea Zapf geschafft. Deren Luftikus Germknödel klingt eigentlich nach hundert-Prozent-Perla, tatsächlich fand ich ihn geschmacklich etwas flach. Trotzdem eine gute Anlaufstelle für Edelpatisserie. Überraschend gut und weniger süß als angekündigt war das Baumkuchen-Schoko-Törtchen bei Maelu.
Verliebt habe ich mich in eine Frühlingsfarben-Frühlingsblumen-Bluse, obwohl sich während der Anprobe geldige Münchnerinnen ihren Piccolo reinflöteten.
Meine Lesung fand im Kulturzentrum Luise statt, im Rahmen des Festivals We won’t shut up. Leider ohne Büchertisch, dafür mit vielen klugen Frauen und ein paar vereinzelten, feministischen Themen aufgeschlossenen Männern im Publikum sowie einer auf Psychosomatik spezialisierten Moderatorin.
Aschaffenburg
Vor ziemlich genau einem Jahr durfte ich schon mal eine Lesung im Rahmen des Feministischen März halten. Dieses Mal fand sie in der Buchhandlung Diekmann statt. Nachhaltig in Erinnerung blieb mir die Nussecke des Schöntaler. Es gibt sie noch immer, nur war sie dieses Mal lediglich Durchschnitt.
Erlangen
Wann immer möglich, versuche ich die Lesetermine mit dem Abhaken meiner Google Maps zu verbinden. In Erlangen hatte ich dafür fast einen ganzen Tag Zeit. Vielleicht wieder in den Holzgarten, den ich vor einigen Jahren mit meinem damaligen Freund besuchte? Nein, aber definitiv zu Käseaffineur Volker Waltmann. Dessen Produkte stehen auf den Karten der besten Restaurants des Landes. Von vier Sorten haben mich drei komplett umgehauen, allen voran der nach Tonkabohnen schmeckende Chèvre de Sakura. Ein Extralob gibt es zudem für die Idee, die Käsesorten samt ausführlicher Kostnotiz auf den Kassenbon zu drucken.
Das nicht weiter erwähnenswerte Abendessen gab es am Veranstaltungsort, einen passablen Kaffee bei Amir der Kaffeemann.
Hittisau
Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich die Berge liebe. Ganz besonders den Bregenzerwald. So gesehen war die Einladung der Krone Hittisau eine doppelte Freude. Schon einmal las ich mit Blick auf die Berge, nämlich beim Sommerfest der Roten Wand (Lieblingsort!), dieses Mal mit einem Kaminfeuer im Rücken.
Entsprechend gut passte die letzte Lesestelle, in der es um die Gipfelsehnsucht meiner Großmutter geht:
Ganz zu schweigen von dem, was möglich gewesen wäre, wenn es ihr gesundheitlicher Zustand zugelassen hätte. Dann hätte sie einen Koffer gepackt statt der stets für einen drohenden Krankenhausbesuch vorbereiteten Reisetasche. Hätte sich ein Taxi zum nächstgelegenen Bahnhof bestellt, dann weiter in Richtung jener Berge, nach denen sie sich ein Leben lang sehnte. Eine Seilbahn hätte sie auf eine Alm gebracht, wo der blaue Enzian blüht wie in jenem Lied, das sie so mochte. Mit ein wenig Glück hätte sie ein Murmeltier entdeckt, ihre Lieblingstiere. Dann hätte sie sich auf einer Berghütte ein echtes Wiener Schnitzel bestellt, ohne Angst vor der Rechnung oder Verdauungsproblemen, und zum Nachtisch Apfelstrudel mit Sahne.
Statt Apfelstrudel gab es am Folgetag Kaiserinnenschmarrren mit Sig-Eis, einer lokalen Molkespezialität, in der guten Kronenstube, umgeben von Trachtenträgern und Frühschopperinnen, abends dann, lucky me, die nur sonntags servierten Käsespätzle. Appetit hatte ich mir zuvor bei der Wanderung auf den Hittisberg geholt.
Hasse ich
Dass mein neuer Staubsaugerroboter, bei dessen Auswahl ich, wie so oft, dem SZ-Magazin-Produkttest vertraute, nicht über die Badschwelle kommt. Empfehlung des Roborock-Kundendienstes: Kaufen Sie eine Roboterrampe bei ALIBABA.
Dass sich Zuggäste aus Angst um ihr Leben nicht trauen, andere auf ihre Handynutzung anzusprechen. Folgende Szene ereignete sich auf der Fahrt von Bregenz nach Wien:
Ich: “Könnten Sie bitte Ihr Telefon lautlos schalten?”
Fahrgast 1: “Ja.”
Kurze Zeit später Fahrgast 2: “Danke, dass Sie das gesagt haben. Ich selbst hätte es mich nicht getraut, aus Angst, dafür eine in die Fresse zu kriegen, sowas Ähnliches ist mir neulich passiert. Sie mit Ihrer Frauenpower haben das gut gemacht!”
Und das in der ÖBB? Uff.
Abschließen wollen wir mit etwas Positivem. Vor Kurzem war ich zu Gast bei Bayern 2 Der Talk, ein “Ritterschlag” wie Vincents Mama anerkennend meinte. Ich mag das Gespräch, weil es mal um andere Dinge geht als meine Bücher (nichts für ungut), zum Beispiel meine Mexikoreise, die Freundschaft mit Dirk von Lowtzow und mein entzündetes Piercing. Nachzuhören hier.